Winterruhe statt Winterblues

Die Feiertage sind vorbei, die Weihnachtsdeko ist abgehängt und die Arbeit hat wieder begonnen. Manche Patienten kommen mit guten Vorsätzen für die Gesundheit in die Praxis. Andere beklagen gesundheitliche Einbrüche. Und viele sind erschöpft, angespannt oder leiden unter Ängsten. Die TCM empfiehlt: Winterruhe statt Winterblues.

Die Kombination von körperlicher und geistiger Müdigkeit mit Ängsten oder Einsamkeit tritt meiner Beobachtung nach im Winter häufiger auf als sonst. Das liegt einerseits daran, dass wir uns nicht genug ausruhen – so wie die Natur es uns vormacht. Andererseits können die Ruhe und das Nichtstun, wenn wir uns darauf einlassen, unangenehme Themen ins Bewußtsein rücken. Es lohnt sich aber, diese Chance zu nützen, denn wenn aus dem Winterblues eine Winterruhe wird, sammeln wir Kraft und finden neue Orientierung.

Ein Lob auf die Winterruhe

Im alten China haben die Menschen ihre Lebensweise an die Jahreszeiten angepasst, um sich gesund zu erhalten. Im Klassiker des Gelben Kaisers zur inneren Medizin (2600 v. Chr.), empfiehlt der Arzt Qi Bo in Kapitel 2

Die drei Monate des Winters nennt man die Zeitspanne des Zuschließens und des Speicherns. Ihr solltet es vermeiden, die Yang Energie übermäßig zu beanspruchen. Zieht Euch bald zurück und steht mit der Sonne auf. Haltet Euch warm, meidet die Kälte, vermeidet jedes Schwitzen. Kennzeichen des Winters ist das Speichern und Bewahren.

„Zuschließen“ und die „Yang Energie“ nicht übermäßig zu beanspruchen bedeutet: sich nicht zu stark zu verausgaben, mehr zu schlafen, aber auch innerlich zur Ruhe zu kommen. Das moderne Arbeitsleben ist zugegebenermaßen herausfordernder als die Winterzeit auf einem Bauernhof vor 200 Jahren. Andererseits macht uns die moderne Lebensweise auch mehr von den äußeren Umständen unabhängig . Wir müssen im Winter nicht mehr früher ins Bett gehen, um Talglichter und Heizmaterial zu sparen. Wir müssen auch nicht mit begrenzten Vorräten wirtschaften, so dass wir mehr essen können, als uns gut tut.

Ein bisschen Winterblues ist normal

Trotzdem spüren viele den Einfluss der Jahreszeit: elektrisches Licht kann das Sonnenlicht nicht ersetzen. Kahle Bäume und gefrorene Pfützen führen uns die Winterstarre deutlich vor Augen. Vielleicht ist es heute auch schwerer, diese Zeit des „nicht mehr“ und „noch nicht“ hinzunehmen. Vielen fällt es schwer, in ihrer Freizeit einfach nur mal in den Tag hinein zu leben. Oft dient eine durchgeplante Freizeit auch dazu, unangenehme Themen oder Ängste zu verdrängen. Wenn dann noch körperliche oder geistige Erschöpfung dazu kommen, ist der Winterblues nicht mehr fern.

Wer auf Lichtmangel und trübe Tage mit Winterblues reagiert, kann seine Stimmung mit einer Tageslichtlampe aufhellen. Ebenso empfiehlt es sich, täglich 20 bis 30 Minuten an der frischen Luft spazieren zu gehen. Auch an bewölkten Tagen kommt die UV-Strahlung durch die Wolken. Außerdem tut die Bewegung gut. Besonders gut für die Stimmung und den Stressabbau ist es, in der Natur spazieren zu gehen. Es lohnt sich, die Formen kahler Äste anzuschauen, das sanfte Winterlicht zu genießen oder die bizarren Formen, die vereiste Gräser und Blätter annehmen.

Zeit für Neuorientierung

Viele fassen am Jahresanfang einen Vorsatz. Ein altes Jahr ist vorbei und das neue soll in irgendeiner Hinsicht besser werden. Aber im Winter können sich mit fortschreitendem Alter auch besonders die Altlasten bemerkbar machen. Mir geht es jedes Mal so, wenn ich mich für einige Tage in ein Kloster zurückziehe, um zu meditieren. Ich fühle, dass ich diese Auszeit brauche, aber ich fürchte auch die Dinge, die dann ans Tageslicht kommen. Tröstlich ist für mich die Erfahrung, dass die Stille und das Gegenwärtigsein alte Wunden heilen. Ich komme mit mehr innerem Frieden zurück und oft sehe ich klarer, in welche Richtung mein Weg weiter gehen soll.

Der Winter gehört in der chinesischen Lehre der Wandlungsphasen zum Wasser. Sie lädt uns ein, tief einzutauchen, die Stille zu genießen, Kraft zu tanken und im besten Fall eine Verbundenheit mit dem All (All – ein(s) – sein) zu spüren. Wer nicht gleich in ein Kloster fahren will, kann täglich eine kurze geführte Meditation machen. Dafür gibt es inzwischen zahlreiche Apps. Oder man plant täglich eine Entspannungsübung ein oder eines Tagesrückblick. Jede Zeit, die nur mir selbst gehört, hilft in die Wandlungsphase Wasser – die Winterruhe – einzutauchen. Und damit schwindet in der Regel auch der Winterblues.

Mehr Tipps gegen den Winterblues gibt es auf meinem Blog „Was tun bei Müdigkeit und Winterblues“ oder komme am 18. Januar zum Workshop „Gesund durch den Winter“ in der VHS.

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