Von Akupunktur und Schmerzmitteln

Schmerzen sind einer der häufigsten Gründe für eine Akupunktur. Auch einige multi-modale westliche Schmerztherapien beziehen sie neben Schmerzmitteln in die Behandlung ein. Umgekehrt befürworte ich als TCM-Therapeutin die Kombination von Akupunktur und Schmerzmitteln.

Als ich vor ein paar Wochen ging ich wegen einer Muskelzerrung im Rücken zur Akupunktur ging, war der Schmerz danach noch etwa halb so stark. Um ihn weiter zu durchbrechen, riet mir mein Kollege, abends zusätzlich zwei Tabletten Paracetamol zu nehmen. In der Apotheke entdeckte ich noch einen Muskel entspannenden Badezusatz mit Arnika, Beinwell und Rosmarin. Und nach dem Bad machte ich – vorsichtig – eine halbe Stunde Feldenkrais-Übungen für den Rücken. Tagsüber half ich mir mit einem Wärmepflaster. Nach drei Tagen dieser „Kombi-Therapie“ aus Akupunktur und Schmerzmitteln, Wärme und Bewegung, war der Schmerz vorbei.

Bei Schmerzen verschiedene Ansätze zu kombinieren, wird vor allem bei chronischen Schmerzen auch von der westlichen Medizin empfohlen. So jedenfalls äußerten sich die Experten beim Bürgerforum zum Thema Schmerzmittel, das unlängst auf Initiative von Prof. Marjan van den Akker vom Institut für Allgemeinmedizin in der Universitätsklinik Frankfurt stattfand. Prof. van den Akker hat seit kurzem dort eine Professur für Multimedikation und Versorgungsforschung. Eine ihrer Aufgaben ist, Patienten davor zu schützen, dass sie zu viele Medikamente nehmen oder Komplikationen aufgrund der Wechselwirkungen erleiden.

Damit akute Schmerzen nicht chronisch werden, soll man sie möglichst frühzeitig behandeln. Selbstverständlich empfahlen der Pharmakologe, der Apotheker und die beiden Allgemeinmediziner zunächst die Behandlung mit Schmerzmitteln. Doch man kann noch mehr tun: „Bei Rückenschmerzen ist zum Beispiel Bewegung eine ausgezeichnete Therapie“, sagte Hausarzt Dr. Armin Wunder. „ Zusätzlich hat Bewegung den Vorteil, dass sie Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt. Und auch Wärme lindert viele Schmerzen.“ Und wie ist es mit der Kombination aus Akupunktur und Schmerzmitteln? Auch dafür war Armin Wunder offen. Zumal es inzwischen klinische Studien gäbe, die gezeigt hätten, dass Akupunktur bei bestimmten Arten von Schmerzen, etwa Rücken- und Knieschmerzen, hilfreich ist.

Schmerz in der Chinesischen Medizin

Wenn Sie wegen Schmerzen zur Akupunktur gehen, wird der Therapeut sie folgendes fragen:

  • Wie lange bestehen die Schmerzen?
  • Wodurch werden sie ausgelöst?
  • Wie häufig sie treten sie auf?
  • Was lindert die Schmerzen und was verschlimmert sie?
  • Wie ist der Schmerzcharakter?

Nach Auffassung der Chinesischen Medizin entstehen Schmerzen entweder durch die Stagnation von Qi oder Blut. Schmerzen durch Qi-Stagnation bessern sich durch Bewegung. Schmerzen durch Blut-Stase sind fixiert, messerstichartig oder bohrend. Berührung und Druck verschlimmern den Schmerz.

Akute Schmerzen sind meist durch externe pathogene Faktoren verursacht. Hier unterscheidet die Schmerztherapie der chinesischen Medizin verschiedene Auslöser: „Wind“, „Kälte“ und „Feuchtigkeit“ sowie Verletzungen, Operationen und Überlastung. Sie greifen die äußeren Schichten des Körpers an (Haut, Muskeln, Sehnen und Bänder). Werden sie in diesem Stadium nicht behandelt oder treffen sie auf einen geschwächten Körper, können sie tiefer eindringen und auch Gelenke befallen. Solche Schmerzen sind meist chronisch: Arthrose, rheumatoide Arthritis oder Gicht. Daneben gibt es natürlich auch viele Schmerzen mit einer inneren Ursache, auf die ich hier nicht eingehe.

Schmerzen durch Wind

Auch die Chinesische Medizin empfiehlt, Schmerzen möglichst frühzeitig zu behandeln, bevor die externen Pathogene tiefer in den Körper eindringen und dort zu Schädigungen der inneren Organe führen. In der Chinesischen Medizin ist Akupunktur das erste Mittel für die Schmerzbehandlung. Eine zusätzliche Behandlung mit Schmerzmitteln ist besonders bei starken Schmerzen, sinnvoll.

Schmerzen durch „Wind“ erkennt man daran, dass sie heftig sind, sehr plötzlich auftreten und wandern. Meist sind Kopf, Nacken und Schulterbereich betroffen. Die betroffenen reagieren empfindlich auf Wetterumschwünge (Fön, Wechsel der Jahreszeiten). Begleiterscheinungen sind Frösteln und Nackensteifigkeit. Im chronischen Stadium kommen Taubheitsgefühle, Muskelzuckungen, Tremor oder Tics hinzu. Diese Art von Schmerzen behandelt man mit Akupunktur-Punkten, die „Wind“ vertreiben. Zusätzlich verwendet man spezielle, Wind ausleitende Nadeltechniken.

Oft bringt der Wind als „Speerspitze der Tausend Erkrankungen“ noch andere pathogene Faktoren mit: Kälte oder Feuchtigkeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die westliche Medizin bei der Reizleitung in Nerven an der Zellmembran Rezeptoren für Hitze, Kälte, chemische und mechanische Reize gefunden hat. Zusätzlich gibt es Rezeptoren für Signalstoffe, die Entzündungen vermitteln.

Typisch für Schmerzen durch Feuchtigkeit sind Schwellungen von Muskeln, Sehnen und Gelenken. Der Schmerz kann dumpf und diffus oder fixiert sein. Er verschlechtert sich durch Druck und tritt, wenn er chronisch ist, eher in der feucht-kalten Jahreszeit oder bei Regenwetter auf. Begleiterscheinungen sind allgemeine Müdigkeit, Schweregefühl, (nicht klar im Kopf), ein gedunsenes Gesicht, geschwollene Augenlieder und/oder Bein-Ödeme. In diesem Fall wählt man Feuchtigkeit ausleitende Aukupunktur-Punkte und setzt zusätzlich Schöpfköpfe ein.

Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze?

Schmerzen durch Kälte sich sehr stark, bohrend und lokal in Muskeln oder Gelenken fixiert. Die betreffende Stelle ist blass oder bläulich. Sie fühlt sich kalt an. Ein Beispiel dafür ist die „frozen shoulder“. Die Art von Schmerzen bessern sich durch Wärme. Deshalb setzt man zusätzlich zur Akupunktur Moxa-Therapie ein. Moxa ist Beifuß-Kraut. Es kann entweder als Kugel auf die Nadelspitze gesetzt und abgebrannt werden. Oder man wärmt die Akupunktur-Punkte indirekt, indem man sie aus einem Abstand mit einer Moxa-Zigarre wärmt. Durch die Wärme weiten sich die Gefäße und das Gewebe kann wieder durchblutet werden.

Bei Schmerzen durch Hitze sind die betroffenen Muskeln oder Gelenke heiß und gerötet. Der Schmerz ist brennend und wird durch Wärme schlimmer. Ursache kann eine Überlastung oder Entzündung sein. Bei Entzündung tritt zusätzlich eine Schwellung auf und die Funktion ist eingeschränkt. In schweren Fällen sind die Begleiterscheinungen Fieber, trockener Mund, gerötete Augen, ein rotes Gesicht, Durst, dunkler Urin und Verstopfung. In diesem Fall ist es Zeit für einen Arztbesuch. Denn eventuell muss zu der Kombination von Akupunktur und Schmerzmitteln auch noch ein entzündungshemmendes Medikament oder ein Antibiotikum gegeben werden.

Bei der Akupunktur-Behandlung von Hitze-Schmerzen zerstreut man die Fülle an Blut und Energie, indem man schmerzempfindliche Punkte sticht und diese zusätzlich mit Elektroakupunktur stimuliert. Außerdem kann man bei starken Schmerzen blutig schröpfen. Ich trage lieber nach der Akupunktur kühlende Salben oder Tinkturen auf. Zuhause können die Patienten Kühlpads (in Stoff eingewickelt) auflegen. Allerdings sollte man etwa alle 15 Minuten eine Pause machen. Sonst wird der Blutfluss im Gewebe zu stark verlangsamt.

Wie häufig darf man Schmerzmittel einnehmen?

Schmerztabletten sind aus Sicht der westlichen Medizin die erste Wahl bei akuten Schmerzen. Doch auch mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln sollte man nicht allzu sorglos umgehen, warnte Hausarzt Armin Wunder beim Burgerforum in der Frankfurter Uniklinik. Am Beispiel eines verkaterten Studenten illustrierte er, wie leicht man sie überdosieren kann. Der Student hatte die Höchstdosis eines Schmerzmittels genommen hatte und war noch nicht schmerzfrei. Deshalb nahm er auf Empfehlung einer Freundin ein weiteres Schmerzmittel. Was er nicht wusste: Unter einem anderen Namen enthielt es denselben Wirkstoff wie das erste Mittel.

Auf meine Frage, wie oft man Schmerzmittel nehmen dürfe, um unerwünschte Nebenwirkungen und Abhängigkeiten zu vermeiden, erhielt ich folgende Antwort: Frei verkäufliche Schmerzmittel kann man bis zu drei Mal täglich und bis zu vier Tage hintereinander nehmen. Beim Kauf sollte man sich vom Apotheker beraten lassen, denn nicht jedes Mittel für jeden geeignet.

So hilft Paracetamol nicht bei Schmerzen, die durch Entzündungen verursacht sind. Es ist aber gut zum Fiebersenken bei Kindern und ist auch für Schwangere und Stillende erlaubt. ASS hilft nicht bei Gicht. Und Diclofenac sollte man nicht bei Thrombose-Neigung einnehmen. Vorsicht bei Schmerzmitteln ist auch geboten, wenn Sie an Asthma, hohem Blutdruck, oder Magen-Darm-Blutungen leiden, Leber-Probleme oder Nieren-Insuffizienz haben.

Chronische Schmerzen mit Akupunktur und Schmerzmitteln behandeln

Bei chronischen Schmerzen, die über mehr als drei Monate immer wiederkehren – etwa Migräne – sollte man verschreibungspflichtige Schmerzmittel wie Triptane nicht häufiger als 10 Mal im Monat einnehmen. Sonst können sie Kopfschmerzen hervorrufen. In diesem Fall verschreibt der Arzt zusätzlich ein vorbeugendes Medikament, das täglich eingenommen wird, erklärte Hausarzt Armin Wunder. Der Pharmakologe Dr. Achim Schmidtko verwies beim Bürgerforum auf eine neue prophylaktische Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Diese „Spritze gegen Migräne“ bezahlt die Krankenkasse allerdings erst, wenn man alle drei Varianten der medikamentösen Prophylaxe probiert hat und diese nicht anschlagen. Es handelt sich dabei u.a. um ein Anti-Depressivum und ein Anti-Epileptikum – mit einer Reihe Nebenwirkungen. Deshalb empfehle ich, zuerst der Kombination von Akupunktur und Schmerzmitteln für die akute Migräne eine Chance zu geben.