Totes Insekt im Kamillentee

Letztes Wochenende hatten wir bei der Fortbildung in Klostermedizin die Aufgabe, Kamillentee unterschiedlicher Herkunft zu untersuchen. Mit der kostengünstigeren Versandware erlebten wir eine Überraschung.

Unsere Dozentin gab uns eine Tüte Kamillenblüten aus der Apotheke und eine von einem Versand, der die Blüten als Lebensmittel vertreibt. Wir haben den Inhalt auf je einen Teller geschüttet und sollten alles herauspicken, was nicht Blüte war. Während es bei der Ware aus der Apotheke nicht viel auszusortieren gab, fanden wir in der günstigeren Versandware einen Anteil Stengel, einige Mohnkapseln sowie ein kleines totes Insekt.

Das hat uns ein wenig erschüttert. Es ist aber nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Blüten maschinell geerntet werden und dann auch Beikräuter mit in die Mischung gelangen. Wenn man von Hand erntet, ist die Qualität viel besser. Oder man muss nach der maschinellen Ernte Unerwünschtes von Hand aussortieren. Beides kostet Zeit und deshalb sind Kräuter aus der Apotheke teurer. Dafür bezahlt man aber auch nicht für Stengel und sonstige Beigaben, die das Gewicht erhöhen, aber weniger oder gar keine therapeutische Wirkung haben. (Was in billigen Teebeuteln drin ist, möchte ich nach diesem Experiment gar nicht erst wissen.)

Wegen solcher Qualitätsmängel schneiden fertige Kräutertees im Beutel bei Prüfungen durch die Stiftung Warentest oder Ökotest oft schlecht ab. Das kann auch daran liegen, dass unter dem Beikräutern nicht nur harmlose Mohnkapseln sind, sondern auch problematische Beimischungen, die Allergien verursachen, wie die sich immer mehr ausbreitende Ambrosia Artemisia. Oder Kräuter, die für die Gesundheit problematische Inhaltsstoffe enthalten.

Auch Kräuter haben Nebenwirkungen

Auch Gartenkräuter können Bestandteile enthalten, die in hohen Konzentrationen die Gesundheit gefährden. Ein Beispiel ist Borretsch, ein beliebter Bestandteil der grünen Soße. Er enthält Pyrrolicidin-Alkaloide (PA), die im Tierversuch Leberkrebs hervorrufen (sie werden in hohen Dosen gefüttert, um die Krebsentwicklung zu beschleunigen).

Nun muss man nicht fürchten, an Leberkrebs zu erkranken, wenn man im Frühjahr – auch über Jahre hinweg – grüne Soße isst. Aber wenn man Kräuter als Arznei über einen längeren Zeitraum und in therapeutisch wirksamen Dosierungen nimmt, sollte der PA-Gehalt geprüft werden. Dieser schwankt nämlich, je nach Standort der Pflanze und den Wetterbedingungen.

Für die problematischen Inhaltsstoffe hat die Europäische Union Grenzwerte festgelegt. Als Qualitätsmerkmal für geprüfte Kräutertees klebt auf der Packung ein Zertifikat, das die Bestandteile und ihren prozentualen Anteil an der Zusammensetzung ausweist. Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist der Zusatz „GMP konform hergestellt“, also nach den von der Europäischen Union aufgestellten Regeln des „Good Manufacturing Practise“, in die auch die Einhaltung von Grenzwerten eingehen.

Hier einige Kräuter, bei denen man für den Arzneitee nur geprüfte Qualität verwenden sollte, weil sie schwankende Mengen problematischer Inhaltsstoffe enthalten:

  • Beinwell-Wurzel und Borretsch: enthalten Pyrrolizidin-Alkaloide (krebserregend)
  • Kalmus-Wurzel: enthält Beta-Asaron (krebserregend)
  • Thuja, Thymian, Wermut, Rosmarin, Beifuß, echter Salbei: enthalten Thujone (Nervengift, führt in höherer Dosierung zu Verwirrtheit, epileptischen Anfällen, Schwindel und Wahnvorstellungen)

Das heißt nicht, dass man die Kräuter nicht mehr in der Küche verwenden darf. Aber wenn man sie als Arznei verwenden möchte, muss man sachkundig mit ihnen umgehen. Die Devise „viel hilft viel“ ist hier fehl am Platz. Ein erfahrener Phytotherapeut verwendet diese bewährten Arzneidrogen auch weiterhin, achtet aber darauf, dass sie den GMP-Regeln entsprechen und die empfohlene Tagesdosis nicht überschritten wird. Auch wird er die Arzneidroge nur über 3 bis 6 Wochen verordnen.

Sind selbst gesammelte Kräuter gesünder?

Selbst gesammelte Kräuter mögen weniger unerwünschte Beigaben enthalten, aber wenn sie problematische Inhaltsstoffe beinhalten, weiß man nicht, in welchen Mengen. Ebenso verhält es sich auch mit den wirksamen Inhaltsstoffen. Auch deren Gehalt schwankt je nach Standort und Witterung und auch mit der Jahreszeit.

Nun ist nichts dagegen einzuwenden, Tee mit frischen Kräutern aus dem Garten oder der Flur zuzubereiten. Möchte man aber eine Krankheit mit Kräutertherapie zu behandeln, also eine zuverlässige arzneiliche Wirkung erzielen, sollten unbedingt Arzneibuchdrogen (also geprüfte Kräuter aus der Apotheke) verwendet werden. Denn nur bei diesen ist der Wirkstoffgehalt bekannt, so dass man sie exakt dosieren kann.

Ein weiterer Grund, der für geprüfte Arzneikräuter spricht, ist die mögliche Belastung selbst gesammelter Kräuter mit Schadstoffen. Auf jeden Fall sollte man beim Sammeln darauf achten, Kräuter nicht neben einer vielbefahrenen Straße oder auf einer gedüngten oder mit Insektiziden behandelten Fläche zu sammeln.

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Und schließlich: Wer nicht kräuterkundig ist, kann auch leicht Pflanzen verwechseln. Die echte Kamille und die römische Kamille sehen sich ähnlich, aber nur die echte Kamille ist heilsam. Von manchen Pflanzen gibt es eine noch größere Vielfalt: So kommen in Deutschland15 Arten von Johanniskraut und 20 Chemotypen (Pflanzen mit unterschiedlichen Inhaltsprofilen) von Schafgarbe vor. Fatal ist es, wenn man Heilpflanzen mit giftigen Pflanzen verwechselt, beispielsweise Bärlauch mit Maiglöckchen. Maiglöckchen kann man zwar auch therapeutisch einsetzen, aber nur in sehr geringen Dosierungen.

Kostengünstige Produkte aus Drogeriemärkten sind übrigens auch nur bedingt zu empfehlen, weil die Dosierung oft unter der therapeutisch wirksamen Dosis bleibt. Das schützt Verbraucher bei der Selbstmedikamentierung vor Überdosierung, aber es schadet auch dem Ruf der Phytotherapie. Mit Kräutern ist es wie mit einem guten Küchenmesser: Nur wenn es scharf ist, schneidet es gut. Aber man kann sich bei unsachgemäßem Gebrauch auch damit schaden.

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