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Tango, TCM und Erotik

„Auf der Tanzfläche gibt der Mann den Ton an. Die Frau macht nichts von alleine“, sagt Guilio, der Tangolehrer. Seine Chica folgt und lockt ihn. Ein Beispiel perfekter Yin-Yang-Harmonie.

Ich fand diese Abmachung schon bequem, als ich in meiner Jugend die Standardtänze lernte. Wenn mir nach etlichen Stunden Lernen für die Uni der Kopf qualmte, wollte ich nicht mehr denken, sondern fühlen. Auch dieses Wochenende, beim Basiskurs in Tango Argentino, fand ich es entspannend, nicht über die Figuren nachdenken oder Zusammenstöße auf der Tanzfläche verhindern zu müssen. Das war alles Aufgabe meines Partners. Ich musste nur spüren und folgen.

Neben einigen jüngeren Tänzern nahmen an dem Workshop auch Paare in den Vierzigern und Fünfzigern teil. Einige wirkten harmonisch und nach längerer Beziehung immer noch ineinander verliebt. Andere schienen Schwierigkeiten zu haben. Das merkte man daran, dass sie häufiger auf der Tanzfläche stehen blieben und miteinander diskutierten.

Beim Partnertausch war schnell klar, wo das Problem lag: Sie wollte führen – womit sie allerdings bei meinem Tanzpartner nicht durchkam – und er konnte nicht führen. Ich nehme an, er hatte es verlernt, weil sie ihm die Rolle schon länger streitig gemacht hatte. Beide schienen unzufrieden.

Vom Standpunkt der Traditionellen Chinesischen Medizin das ist leicht zu verstehen. Es gehört zur Yang dominierten Natur des Mannes, Dinge in Angriff zu nehmen, neue Räume zu erkunden und nicht zuletzt, auf sexuellem Gebiet die Initiative zu ergreifen. Wer Tango tanzen geht, denkt an Erotik – und da wünschen sich die meisten Frauen einen heißen argentinischen Tänzer, dem es im Traum nicht einfallen würde, mit seiner Partnerin über Figuren zu diskutieren.

Denn eine Yin-dominierte Frau strengt es an, wenn sie längere Zeit den Yang Part übernehmen muss. Sie wird zickig, weil sie es ihrem Partner verübelt, dass er seine Rolle nicht ausfüllt. Wenn er entschlossen genug die Führung übernimmt, kann sie sich entspannen, der Bewegung hingeben und damit ihre Yin-Seite entfalten.

Ein Tango-Tanz, bei dem es knistert, so dass sich die Spannung auch auf die Zuschauer überträgt, ist ein Beispiel für perfekte Yin-Yang-Harmonie. Dass die Frauen zu diesem Spiel auch mit einem Teil Yang-Energie beitragen, zeigt sich daran, dass Tänzerinnen oft die Farbe rot tragen. Es ist die Farbe des Feuers, ein pures Yang-Element. Die Tänzer tragen hingegen oft schwarz, die Farbe des Wassers und damit des Elements mit reinem Yin-Charakter.

In der traditionellen chinesischen Lehre der fünf Wandlungsphasen bilden diese Elemente die Feuer-Wasser-Achse. Im Körper ist sie den Organsystemen Herz und Niere zugeordnet, deren Gleichgewicht eine entscheidende Rolle für die Gesundheit spielt. Sie ist auch der Schlüssel für die Gesundheit einer Beziehung, die nach der Lehre der TCM auf einem erfüllenden Liebesleben beruht.

„Eine Frau, die ihre Yin-Energie lebt, erlaubt es dem Mann, ihr sexuell, emotional und materiell etwas zu geben. Was sie empfängt, verarbeitet sie und lässt ihn dann an dem teilhaben, was sie denkt und fühlt. Auf diese Weise transformiert sie nicht nur, was der Mann ihr gegeben hat, sondern den Mann selbst“, schreibt Felice Dunas in ihrem Buch „Chinesische Liebesgeheimnisse“.

Man muss dazu nicht unbedingt Tango tanzen. Aber die Rollenverteilung beim Tango erinnert daran, dass gelungene Beziehungen nicht darin bestehen, in allem gleich zu sein.

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