PCOS und Kinderwunsch

Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist die häufigste hormonelle Störung bei Frauen in den fruchtbaren Jahren. Die meisten erfahren ihre Diagnose erst, wenn sie schwanger werden möchten.

Oft haben die Betroffenen schon in der Pubertät unregelmäßige Zyklen gehabt und bekamen deshalb die Pille verschrieben. Setzten sie die Pille nach jahrelanger Einnahme ab, kommt die Menstruation entweder gar nicht (Amenorrhoe) oder die Zyklen sind lang und unregelmäßig. Das ist schon ein Hinweis auf polyzstisches Ovarialsyndrom. Zwar kann man PCOS nicht heilen, aber durch eine kombinierte Therapie aus westlicher und chinesischer Medizin lassen sich die Chancen für eine Schwangerschaft erhöhen.

Die Diagnose PCOS wird meistens anhand der Rotterdam-Kriterien gestellt. Sie gilt, wenn zwei der drei folgenden Kriterien zutreffen:

  1. Überschuss an männlichen Hormonen. Das zeigt sich im Labor durch erhöhte Androgenwerte (Testosteron, Androstendion, DHEA, DHEAS). Sichtbare Zeichen sind vermehrte Körperbehaarung, Haarausfall und Akne.
  2. Unregelmäßige Zyklen. Die Periode kommt seltener als 9 mal pro Jahr oder die Zyklen sind länger als 35 Tage.
  3. Polyzystische Ovarien. Im Ultraschall zeigen sich mehr als 12 Follikel (Ei-Bläschen) pro Eierstock. Sie sind wie auf einer Perlenschnur aufgereiht. Normalerweise reift von mehreren Follikeln eines bis zum Eisprung heran und die verbliebenen bilden sich wieder zurück. Bei PCOS bleibt der Eisprung oft aus.

Weitere Symptome von PCO-Syndrom

In etwa 50 Prozent der Fälle ist das PCO-Syndrom mit einer Insulinresistenz verbunden. Das bedeutet erhöhte Insulin- und Blutzuckerwerte. Wenn also ein Verdacht auf PCOS besteht, sollte der HOMA-Index bestimmt werden. (HOMA-Index = Insulinwert x Blutzuckerwert/ 405.)  Ist dieser Wert größer als 2, sollte auch ein Glukose-Toleranztest durchgeführt werden.

Insulinresistenz führt oft auch zu Übergewicht. Das heißt, der Body-Mass Index (BMI) ist größer als 30. Die Körperform gleicht bei PCOS eher einem Apfel als einer Birne. (Mehr dazu: Der Body-Mass Index und das böse Bauchfett)
Bei den normal gewichtigen Frauen tritt gehäuft ein hormonelles Ungleichgewicht auf: Das Hormon LH (luteinisierendes Hormon), das den Eisprung auslöst, ist oft doppelt so hoch wie das follikel stimulierende Hormon (FSH). (LH/FSH > 2.) Da die LH- und FSH- Werte im Laufe des Zyklus schwanken, sieht man dies nicht unbedingt bei der ersten Blutuntersuchung. Außerdem ist das Anti-Müller-Hormon oft erhöht. (AMH > 8.)

Diese Zeichen und Symptome können allerdings auch bei anderen Erkrankungen auftreten:

  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Hyperprolaktinämie (bei dieser Erkrankung schüttet die Hirnanhangsdrüse zu viel von dem Hormon Prolaktin aus)
  • eine seltene angeborene Erkrankung der Nebennierenrinde (adrenale Hyperplasie)

Diese Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden, bevor man die Diagnose PCOS stellt.

PCOS muss behandelt werden

Auch wenn kein Kinderwunsch besteht, ist eine Behandlung der PCOS notwendig. Denn sie kann langfristig Folgen haben wie

  • Typ-2-Diabetes
  • Schlaf-Apnoe (Aussetzer bei der Atmung im Schlaf, oft bei Übergewicht)
  • Herz- und Gefäßerkrankungen
  • Krebs der Gebärmutterschleimhaut
  • Depressionen, Ängste, Essstörungen

Lifestyle ändern: Ernährung und Bewegung

Eine der wichtigsten Maßnahmen bei PCOS ist die Ernährungsumstellung. Dies gilt auch für Frauen mit Normalgewicht, sofern sie erhöhte Insulinspiegel haben. (Das trifft für 50-70 Prozent der normal gewichtigen Frauen zu.) Es empfiehlt sich eine typgerechte Ernährungsberatung. Allgemeine Regeln sind: Fettiges, scharf angebratenes und frittiertes Essen zu vermeiden. Ebenso Zucker und Weißmehlprodukte, die den Insulin-Spiegel anheben. Empfohlen werden maximal 1200 bis 1500 kcal/Tag. Achtung: eine Low-Carb Diät ist nicht für jeden PCOS Frauen-Typ geeignet.

Der zweite wichtige Baustein der Lyfestyle-Änderung ist Bewegung. Empfohlen sind 2,5 Stunden pro Woche mit moderater Intensität oder 75 Minuten pro Woche mit hoher Intensität. Man sollte mindestens 10 Minuten pro Trainingseinheit absolvieren und nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen trainieren. Will man abnehmen, sollte man die  Trainingszeit verdoppeln. Spezifische Sportarten werden nicht empfohlen.

Insbesondere bei PCOS-Frauen mit Übergewicht kann schon die beginnende Gewichtsreduktion dazu führen, dass der Eisprung wieder einsetzt.

Metformin und Myo-Inositol

Metformin ist ein Medikament, das schon seit 1922 zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Es reduziert den Abbau von Glukose in der Leber und senkt damit den Blutzuckerspiegel. Außerdem erhöht es die Empfindlichkeit der Insulin-Rezeptoren auf den Zelloberflächen. Dockt Insulin an diese Rezeptoren an, können die Glukosemoleküle aus dem Blut in die Zelle gelangen und dort in Energie umgewandelt werden. Der Nachteil von Metformin sind Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt. Über etwa ein bis zwei Wochen können Durchfall, Erbrechen oder Unterbauchschmerzen auftreten. Deshalb sollte man mit einer geringen Dosis beginnen und diese langsam erhöhen.

Myo-Inositol ist ein Nahrungsergänzungsmittel, dass erst in neuerer Zeit bei PCOS verwendet wird. Es kommt in vielen Lebensmitteln, insbesondere in Früchten (Orangen, Cantaloup Melonen) vor und auch in Energy-Drinks. Myo-Inositol ist besser verträglich als Metformin. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen ziehen es bei der Kinderwunsch-Behandlung dem Metformin vor.

Da die Studienlage zur Wirkung von Metformin und Myo-Inositol in Bezug auf Schwangerschaftsraten und Lebendgeburten zurzeit noch nicht eindeutig ist, vertraue ich auf die derzeitige klinische Erfahrung und empfehle Myo-Inositol.

PCOS mit chinesischer Medizin behandeln

Die chinesische Medizin kann über die Behandlung mit Metformin oder Myo-Inositol hinaus helfen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Frauen sprechen gut auf eine Behandlung mit Chinesischer Medizin an (Yunning Wu et al.: Female Infertilit & Reproductive Gynaecology, The Journal of Chinese Medicine 2020, S. 207).

Der erste Schritt einer Behandlung ist, einen regelmäßigen Zyklus von normaler Länge wieder herzustellen. Dazu stellt eine TCM-Therapeutin zunächst eine differenzierte Diagnose. Denn es gibt unterschiedliche Muster für diese Erkrankung. Jedes steht für ein bestimmtes Ungleichgewicht im Körper. Passend zu diesem Muster wird eine Kräuterrezeptur verschrieben, die Ungleichgewichte im Körper korrigieren soll. Die Wirkung zeigt sich nicht nur an einem regelmäßigen Zyklus, sondern kann auch die Begleiterscheinungen wie Akne und vermehrte Körperbehaarung positiv beeinflussen. Die männlichen Hormone im Blut nehmen bei Ansprechen auf die Therapie ab.

Die Kräuterrezeptur wird im Laufe der Behandlung verändert und angepasst. So ist es wichtig, in einem zweiten Schritt den Eisprung zu fördern, damit eine Empfängnis stattfinden kann. In meiner Praxis unterstütze ich diesen Prozess während der ersten Zyklushälfte mit Elektroakupunktur. Dabei werden die Nadeln elektrisch gerüttelt, was einer etwa dreimal stärkeren Wirkung entspricht.

Temperaturkurve führen

Bei Kinderwunsch empfehle ich den Frauen, ihre Basaltemperatur morgens zu messen. So können sie nachvollziehen, ob und wann sie ihren Eisprung haben. Kurz bevor das luteinisierende Hormon (LH) ansteigt, das den Eisprung auslöst, fällt die Temperaturkurve, um dann wieder anzusteigen. Dieser Knick zeigt die fruchtbaren Tage an. Zusätzlich sollte die Frau auf den fruchtbaren Schleim achten, den sie während dieser Zeit absondert. Ein Ovulationstest, der auf einen Anstieg von LH anspricht, ist nur dann sinnvoll, wenn die LH-Werte nicht von vornherein erhöht sind.
Ist der Zyklus regelmäßig und findet der Eisprung statt, haben Frauen mit PCOS gute Chancen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden.

Wichtig: Der Mann sollte ein Spermiogramm machen lassen, um sicher zu gehen, dass auf seiner Seite alles in Ordnung ist.