Er hat seiner Frau die linke Niere gespendet
Tim und Claudia Pillar sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Geben und Annehmen können einer Beziehung große Tiefe und Innigkeit verleihen. Jetzt leben sie ihren Traum von Lebensabend in Südfrankreich.
Selten hat mich ein Interview so berührt wie das mit dem Ehepaar Pillar. Wenn man einem Menschen eine seiner Nieren spendet, muss er einem schon sehr nahe stehen. Es kann sein, dass die Niere abgestoßen wird und das Opfer vergeblich war. Oder der Spender leidet unter einem Zustand großer Müdigkeit, dem „Fatigue Syndrom“. Das alles wusste Tim Pillar, als er sich an der Schwelle zum Rentenalter entschloss, seiner Frau eine Niere zu spenden. Bei ihr hatten plötzlich beide Nieren versagt. Fragt man den studierten Biochemiker nach seinen Motiven, sagt er schlicht: „Ich wollte, dass Claudia wieder gesund wird.“
Claudia Pillar nahm diese Idee zunächst nicht Ernst. Aber ihr Mann ließ in der Frankfurter Universitätsklinik alle erforderlichen Tests machen und war sehr zuversichtlich, dass alles gut gehen würde. In dem Gespräch berichten beide wiederholt, dass sie in die behandelnde Ärztin, Prof. Ingeborg Hauser, großes Vertrauen setzten. Ich kann mir nicht verkneifen zu bemerken, dass Vertrauen eine Eigenschaft ist, die in der chinesischen Medizin mit einer starken Niere verknüpft ist. Angst und Unsicherheit hingegen kennzeichnen eine schwache Niere. Ein Transplantationsmediziner kann kaum etwas Besseres tun, als Vertrauen und Sicherheit zu vermitteln.
Das Paar stellt im Gespräch durch kleine Gesten und Blicke immer wieder den Kontakt her. Claudia Pillar sagt, die Großzügigkeit ihres Mannes habe ihre Beziehung vertieft:
„Da ist man so viele Jahre mit einem Menschen verheiratet und glaubt, ihn zu kennen. Aber in einer solchen Situation ist es, als ob sich ein Fenster auftut und man sieht, wen man wirklich geheiratet hat. Man ist erstaunt. Das ist etwas sehr Großes. Unsere Beziehung ist intimer geworden. Wir verstehen uns auf einem höheren Niveau.“
Mir fällt besonders auf, wie sehr er sich freut, dass seine früher so starke und kämpferische Frau sich ihm anvertraut. „Claudia ist anhänglicher geworden“, sagt er lächelnd. Ich denke: „Das muss damit gemeint sein, dass die Natur des Yang im Geben liegt.“ Und ich kann auch sehen, wie gut es ihr getan hat, sich von ihrem Mann etwas so Wertvolles wie seine Niere schenken zu lassen. Sie sorgt sich nicht darum, in seiner Schuld zu stehen. Das ist die empfangende Qualität des Yin. (Offensichtlich ist das Prinzip von Yin und Yang ist in dieser Partnerschaft sehr harmonisch.) Tim und Claudia Pillar freuen sich über die geschenkte Zeit. Das ist für sie das Wichtigste.
Das Foto haben die beiden mir im Sommer aus Südfrankreich geschickt, wo sie schon seit Jahren ein Sommerhaus bewohnen. Ich denke öfter an sie, wenn es mit der Yin-Yang-Harmonie in meinem Leben nicht so klappt.
Mehr zur Geschichte dieses ungewöhnlichen Paares und alles Wichtige rund um die Nierentransplantation findet ihr in meinem Artikel: „Ein neues Leben mit der Niere des Partners“ in Forschung Frankfurt, Ausgabe 2-2016.