Qi Gong im Zen Kloster

Zu Beginn des Urlaubs brauche ich ein paar Tage, um das Hamsterrad ausdrehen zu lassen. Vier Tage intensives Qi Gong im Zen-Kloster Waldbröl waren ideal, um zur Ruhe zu kommen.

Ich hatte nur eine ungefähre Ahnung, was mich im European Institut for Applied Buddhism (EIAB) in Waldbröl erwarten würde. Aber von früher hatte ich das von dem vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh gegründete Kloster in guter Erinnerung. Besonders die Warmherzigkeit der vielen jungen vietnamesischen Mönche und Nonnen hatten es mir angetan. Die Achtsamkeitspraxis dieser Gemeinschaft schafft einen Raum, in dem alle, die mit mir bisher dort waren, sich beschützt, angenommen und geborgen fühlten. Das ist ein unglaubliches Geschenk.

Zudem kannte ich Schwester Song Nghiem schon von einem früheren Kurs als eine humorvolle und intelligente Frau, die mit beiden Beinen auf der Erde steht. Die promovierte Chemikerin, geboren in Vietnam und aufgewachsen in Deutschland, ist erst spät Nonne geworden. Sie hat 18 Jahre als Chemikerin in Forschung und Wirtschaft gearbeitet, bevor sie 2003 als Laie zur Dharmalehrerin ordiniert wurde und erst 2012 wurde sie Nonne. Dieses Mal unterrichtete sie zusammen mit Thay Phap An, dem Direktor des EIAB. Er ist Chemiker und in angewandter Mathematik promoviert. 1992, zwei Jahre nach Abschluss seiner Dissertation, wurde er von Thich Nhat Hanh zum Mönch ordiniert.

Im Programm war der Kurs als „Integrales Tai Chi und Meditation“ angekündigt. Da ich integrales Tai Chi nicht kannte, war ich nicht traurig, als Thay Phap An am ersten Abend ankündigte, Meister Hang Truong, der Begründer des integralen Tai Chi, habe nicht kommen können. Stattdessen würden wir mit ihm und Schwester Song Nghiem „Rückkehr zum Frühling“-Qi Gong lernen. Das sollte sich nicht nur für mich als ein echter Glücksfall herausstellen. Auch die Teilnehmer, die integrales Tai Chi kannten, empfanden das „Rückkehr zum Frühling“-Qi Gong als tiefgehender und stärkender. Oder in den Worten von Schwester Song Nghiem: „Integrales Tai Chi ist so etwas wie die Instant-Version der ursprünglichen Qi Gong Form (Rückkehr zum Frühling). Man kann sie direkt mit nach Hause nehmen und üben.“

„Rückkehr zum Frühling“-Qi Gong

Das „Rückkehr zum Frühling“-Qi Gong ist von der Bewegungsabfolge etwas anspruchsvoller als die einfachen Qi Gong Übungen, die in der Tradition meiner Shaolin Wahnam Schule gelehrt werden. Ich kann nicht behaupten, dass ich alle 15 Übungen schon perfekt beherrsche, aber das macht nichts. Es genügt, sich eine oder zwei Übungen vorzunehmen, und die richtig gut zu üben. Und dann nimmt man bei nächsten Mal wieder eine neue Übung hinzu.

Der Name „Rückkehr zum Frühling“ oder Hui Chun Gong bedeutet übrigens, dass man durch die Übungen zum Frühling seines Lebens zurückkehrt. Das geschieht durch die Anregung der Nieren-Energie, die in der chinesischen Medizin so etwas wie die Batterie darstellt. Sie ist die „vorhimmlische Energie“ oder genetische Ausstattung, die wir von unseren Eltern mitbekommen und bestimmt unsere Lebensdauer. Wenn wir maßvoll leben, uns gut ernähren, genügend schlafen, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Erholung finden, müssen wir nicht an unsere Reserven gehen.

Das Geheimnis daoistischer Mönche

Die chinesischen Kaiser wurden vor etwa 1000 Jahren nur 60 bis 70 Jahre alt, obwohl sie gut versorgt waren. Der Legende nach erfuhr einer der Kaiser von einem daoistischen Kloster, in dem die Mönche 120 Jahre alt wurden und dabei körperlich und geistig frisch blieben. Er bestellte die Mönche zu sich und fragte sie nach ihrem Geheimnis. Die Mönche erklärten, dass sie in langen Stunden der Meditation Energiekanäle in ihrem Körper wahrgenommen hätten, durch welche die Energie des Himmels und der Erde aufgenommen werde. Sie hätten einfache Übungen entwickelt, um diese Energie aufzunehmen. Der Kaiser befahl den Mönchen, ihn die geheimen Übungen zu lehren, verbot ihnen aber bei Strafe, sie anderen zu zeigen. Erst in den 1980er Jahren beschloss der letzte Meister des Hui Chun Gong, die Übungen für alle zugänglich zu machen.

Thay Phap An und Schwester Song Nghiem haben Hui Chun Gong von dem chinesischen Meister Zhang Xiao Ping gelernt, der seit 1989 in Österreich lehrt. Auf der Webseite von Meister Zhang findet man auch ein Skript zu den Übungen.

Zuerst nur Müdigkeit und Muskelkater

Am ersten Tag waren die meisten in unserem Kurs abends ziemlich müde und einige hatten Rückenschmerzen (ich auch). Thay Phap An erklärte uns, das liege daran, dass wir so viele neue Bewegungsabläufe gelernt hatten und noch viel mit dem Kopf arbeiten müssen. Und die Schmerzen im unteren Rücken können dadurch ausgelöst werden, dass man die Nieren-Region bei den Übungen oft zusammendrückt, um sie anzuregen. Ich war aber auch müde, weil ich am Anfang der Ferien stand und es nicht gewohnt bin, um 5:30 Uhr aufzustehen, und um 6 Uhr mit Qi Gong zu beginnen.

Am zweiten Tag hatten viele von uns Muskelkater an der Rückseite der Oberschenkel, weil man sich bei den Übungen häufig auf die Zehenspitzen stellt. Auch das regt die Nieren-Energie an (der Nieren-Meridian beginnt an der Fußsohle mit dem Punkt Yongquan, was „sprudelnde Quelle“ bedeutet). Und wenn man ca. fünf Stunden am Tag Hui Chun Gong übt, werden einige Muskelgruppen beansprucht, die man bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit nicht braucht.

Besonders schön war es, morgens um 6 auf der Terrasse zu üben, mit Blick auf die alten Bäume des Parks. Durch die vielen Wiederholungen hatten sich die Übungen inzwischen eingeprägt und wurden fließender. Die Gruppe übte gesammelt und harmonisch zu den Klängen chinesischer Musik und Vogelzwitschern. Und als dann noch die Sonne hinter den Bäumen aufging, weitete sich das Herz und der Muskelkater war nur noch halb so schlimm. „So müsste man jeden Tag beginnen“, meinten viele Teilnehmer beim Austausch am Abend.

Mein Rückenschmerz verschwindet

Am Nachmittag des dritten Tages hörten auch ganz überraschend meine Rückenschmerzen auf. Das kam so: Als ich mich zur Tiefenentspannung hinlegen wollte, merkte ich, dass ich mich kaum mit durchgestreckten Beinen nach vorne beugen konnte. Ich machte also einige Dehnübungen für Beine und Rücken. Während der Entspannung wurde dann die schmerzende Stelle im Kreuz ganz warm. Und als ich aufstand, war der Schmerz weg. Es hatte sich eine Blockade gelöst.

Auch andere Teilnehmer berichteten am letzten Abend, dass sich Schmerzen gelöst hatten und eine Frau mit Rheuma war ganz stolz und glücklich, dass sie alles hatte mitmachen können. Thay Phap An sagte uns, er könne uns eine Veränderung ansehen. Unsere Gesichter seien entspannter und wir hätten mehr Ausstrahlung.

Gestern Nachmittag bin ich zurück gekommen und da ich noch Urlaub habe, wollte ich eigentlich ausschlafen. Aber heute früh war ich schon um 5 Uhr wach und bin dann um 6 Uhr in der Garten gegangen, um den schwimmenden Frosch, die „Schildkröte zieht ihren Kopf ein“, den schwimmenden Drachen und den schwebenden Phönix zu üben. Und dann noch ein bisschen die Schwertform vom Kung Fu. Ich fühle mich hellwach und munter, obwohl mich schülwarmes und feuchtes Wetter sonst träge macht. Werde wohl in den nächsten Tagen so weiter trainieren.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert